Interview mit einer Krankenschwester
Dass Altenpflege ein durchaus fordernder Job ist, kann jeder bestätigen, der gezwungenermaßen seine Liebsten pflegt und es leuchtet beinahe von selbst ein, dass man als professioneller Pfleger oder Pflegerin in diesem Beruf mit einem besonderen Maß an Menschenliebe versehen sein muss, um sich dauerhaft den dabei entstehenden Belastungen stellen zu können. Diese Krankenschwester berichtet über ihren Beruf in der Altenpflege und sieht viele Vorteile gegenüber ihrer vorherigen Arbeit im Krankenhaus.
Sie ist Mitte dreißig, verheiratet, noch ohne Kinder und bekennende, freikirchliche Christin. Eine Familie ist geplant, jedoch befindet sich ihr Mann gerade im Referendariat zum Lehrer. Ihre Mutter ist ebenso Krankenschwester und in der Familie gibt es mehrere Ärzte.
Vor meiner Arbeit in der Altenpflege war ich als Krankenschwester im Krankenhaus tätig, dem eine Zeit in der ambulanten Pflege folgte. In dieser hatte ich viel mit alten Menschen zu tun und es war mir schon immer eine Freude, älteren Menschen zu helfen, denn schließlich kann man in ihnen auch eine Menge entdecken. Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass ich alte Menschen mag.
Für meine Ausbildung bin ich aus meiner Heimatstadt weggezogen und nach der Ausbildung bekam ich eine Stelle in einem kleinen katholischen Krankenhaus auf einer Privatstation. Diese war unterteilt in einen Bereich für Urologie und einen für innere Medizin. Dies unterschied sich sehr von meiner Ausbildungsstelle, welches ein großes städtisches Lehrkrankenhaus war, das sich in der Atmosphäre und der Art zu arbeiten stark von dem kleinen kirchlichen Krankenhaus unterschied. Wir hatten beispielsweise in meinem Ausbildungskrankenhaus massenhaft steriles Material, während ich an meinem neuen Arbeitsplatz damit besonders sparsam umgehen musste. Dadurch, dass dies eine Privatstation war, hatte es bereits etwas Ähnlichkeit mit einem Altenheim. Die Menschen waren dort nicht wie in einem großen Klinikum eine Nummer, sondern viele Patienten waren mit der Einrichtung bereits bekannt und kamen immer wieder dorthin. Dies ermöglichte es dem Krankenhaus, eine gute Beziehung zu seinen Patienten aufzubauen. Sie waren darüber hinaus alle privat versichert und genossen dadurch die bekannte bessere Behandlung als Kassenpatienten. Es wurde darauf geachtet, dass die Patienten sich wohl und wie zu Hause fühlen, was letztendlich einem Altenheim ähnlich ist.
Ich bin aber nicht in dem Krankenhaus geblieben, weil ich einerseits zu meinem Partner zog und andererseits etwas anderes machen wollte. Dadurch, dass mein neuer Wohnort sehr ländlich, das Krankenhaus weit weg und ich frisch verheiratet war, habe ich zunächst nur noch auf Stundenbasis für eine Einrichtung der ambulanten Pflege gearbeitet. Diese Arbeit belief sich zunächst auf etwa zwanzig Stunden die Woche und wurde nach einiger Zeit aufgestockt. Bei der ambulanten Pflege fährt man mit dem Auto von einem Patienten zum anderen und je nach Grad der Erkrankung bekommen die hilfsbedürftigen Menschen eine Spritze, einen Verband oder eben mehr. Die meisten Erkrankungen in der ambulanten Pflege sind altersbedingt. Dabei gab es Leute, die sehr traurig oder sehr dreckig leben, während andere Menschen sehr pingelig und wiederum andere relativ skeptisch und unfreundlich waren. Die Atmosphäre in einer Wohnung kann mich sehr beeinflussen. Das ist ganz anders als wenn ein Mensch ins Krankenhaus kommt. Dort bin ich nämlich ein Stück weit in der Lage, die Atmosphäre selbst zu prägen, was mit ein Grund dafür war, dass ich später wieder stationär arbeiten wollte. Letztendlich führte mich aber durch einen weiteren Wohnwechsel, der durch den Beruf meines Mannes begründet war, meine Arbeit zum meinem jetzigen Beruf – im Altenheim.
Krankenhaus und Krankenschwestern
Die Stimmung im Krankenhaus hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter denen hauptsächlich das Verhalten der Kollegen eine Rolle spielt. Dementsprechend kann die Stimmung positiv oder negativ sein. Die Krankenhausatmosphäre an sich empfinde ich generell als angenehm, was sich sicher von Gefühlen der Patienten unterscheidet, die mit einem Krankenhaus meist schon eine negative Atmosphäre verbinden. Das Verhältnis zu den Ärzten ist ebenfalls unterschiedlich, da es davon abhängt, ob sie uns Schwestern als Untertanen für jegliche Arbeiten oder aber uns in einem kollegialen Verhältnis sehen. Mit manchen Ärzten konnte ich private Gespräche führen und Spaß haben, während ich zu anderen ein rein berufliches Verhältnis hatte und quasi nur ihre Anweisungen ausführte. Das muss nicht unbedingt etwas mit der Hierarchie zu tun haben. In der Neurologie gab es einen Oberarzt, mit dem ich mich sehr gut verstanden habe, sodass ich sagen würde, dass das Verhältnis größtenteils von der Persönlichkeit abhängt. Über Professoren kann ich nicht viel sagen, da ich bisher nur in zwei Fällen mit ihnen zusammengearbeitet habe.
Gesetzlich und privat Krankenversicherte
Ob die gesetzlich Versicherten generell schlechter behandelt werden, kommt auf die Station an und ist daher von Krankenhaus zu Krankenhaus verschieden. In richtig großen Kliniken, zum Beispiel die einer Universität, merkt man schon, dass man oft nicht mehr als eine Nummer ist. Allgemein muss man als Kassenpatient Abstriche machen, da man nicht vom Chefarzt behandelt wird, keine große Auswahl beim Essen hat und mit mehreren Leuten auf einem Zimmer liegen muss. Für gesetzlich versicherte Menschen stimmt oft das ganze Ambiente in einem Krankenhaus nicht, sodass man sagen kann, dass die privat versicherten Menschen im wahrsten Sinne des Wortes besser „behandelt“ werden. Für uns Krankenschwestern hingegen macht es keinen Unterschied, ob wir mit privat oder gesetzlich versicherten Patienten zu tun haben, da die Behandlungen im Prinzip die gleichen sind.
Ich persönlich denke aber schon, dass man von einem Chefarzt besser behandelt wird als von einem Oberarzt, weil jene oft eine bessere Ausbildung vorweisen können. Letztendlich sind bei einer Chefarztbehandlung auch noch gleichzeitig andere Ärzte mit anwesend und es geht meist hauptsächlich darum, dass der Chefarzt ein Auge auf die Behandlung wirft – auch bei operativen Eingriffen.
Ambulante Pflege
Ich erinnere mich an einen Menschen, der von früh morgens bis nachmittags, wenn seine Frau von der Arbeit kommt, vom Pflegedienst betreut werden musste. Er hatte eine Erkrankung, bei der die Muskeln erschlaffen, und war von seiner Persönlichkeit her ziemlich pingelig, womit auch seine Frau schon immer Schwierigkeiten hatte, vor allem dann, wenn irgendetwas nicht so lief wie er es wollte. Neue Mitarbeiter mussten sich daher immer erst an seine Vorstellungen bzgl. der allmorgendlichen Pflege gewöhnen, denn dabei ließ er keine Variationsmöglichkeiten zu. Hinzu kam, dass er zwar eigentlich beatmet werden musste, dies aber für kurze Zeit ausgesetzt werden konnte, so zum Beispiel bei der Pflege im Badezimmer. Daher musste der gesamte Prozess schnell und reibungslos ablaufen, was ziemlich schwierig war. Zum Putzen der Zähne benutze er eine elektrische Zahnbürste und wir als Pfleger mussten genau dazu angeleitet werden. Ich war relativ oft bei ihm und wollte häufig nicht dorthin, weil es belastend ist, den ganzen Tag mit einem Menschen zusammen zu sein, der nicht ganz einfach zu betreuen ist. Bei anderen Patienten war ich wiederum nur eine halbe Stunde oder sogar nur fünf Minuten, weil ich für sie einkaufen war oder das Essen zubereiten musste.
Es ist interessant zu erleben, welche Gewohnheiten sich die meisten Menschen angeeignet haben, zum Beispiel die Art sich zu waschen oder ihren Tag zu organisieren. Bei manchen von ihnen bin ich durchaus verwundert, wie pingelig sie in Bezug auf Position und Lage eines einzelnen Gegenstandes sein können. Sie halten es teilweise nicht aus, wenn nur eine Kleinigkeit anders ist. Manche Patienten erwarteten relativ viel und es gibt bei ihnen ein genaues System, dem man sich anpassen muss. Bei ihnen wird alles sehr streng gehandhabt. Dann gibt es aber auch Patienten, die locker und nett sind. Eine ältere Frau, an die ich mich noch sehr gut erinnern kann, war beispielsweise Alkoholikerin und hat laufend hochprozentige Getränke konsumiert, weshalb sie des Öfteren angeschwipst und daher über die Maßen locker drauf war.
Durch meinen ländlichen Einsatzbereich hatte ich zwischen den Patienten recht lange Wege zu fahren, was mir aber recht gut gefallen hat, weil die Umgebung schön war. Während des Autofahrens wollte ich oft Radio hören, aber es gab bei den Radios dieser Autos einen Code, den man neu eingeben musste, wenn die Batterie leer ging, was gelegentlich vorkam. Dies konnte aber nur ein Autohändler erledigen und die Autos der Pflegeeinrichtung wurden nicht extra deswegen in die Werkstatt gebracht, weswegen man in vielen Autos kein Radio hören konnte. Dadurch, dass ich hin- und wieder schwierige Patienten oder solche mit schwierigen Angehörigen und wenig Austausch mit Kollegen hatte, habe ich das Radio auf den Fahrten zwischen den Patienten ganz schön vermisst. Ich wollte einfach mal nur Musik hören und die Seele baumeln lassen, um mich von dem Stöhnen über die schwierigen Patienten abzulenken.
Die Arbeit mit den Patienten kann durchaus belastend sein, aber es war nie so schlimm, dass ich dies mit in meine Freizeit getragen hätte oder deswegen nicht schlafen konnte. An manche Fälle denkt man zwangsläufig ab und zu, aber es ist nicht so, dass ich darunter gelitten hätte. Die Arbeit war darüber hinaus körperlich weniger anstrengend als jene im Krankenhaus, da ich oft Auto gefahren bin und daher nicht so viel durch die Gegend laufen musste. Vielleicht könnte man aber sagen, dass die seelische Belastung bei der ambulanten Pflege höher ist, weil ich mich immer der Stimmung der einzelnen Häuser anpassen muss.
Altenheim
Die Arbeit in der Altenpflege ist ebenfalls anstrengend und teilweise sogar anstrengender als bei meinen beiden vorherigen Arbeitsstellen, obgleich es natürlich auch im Krankenhaus relativ stressige Tage gab. Die Stimmung im Altenheim ist stark von den Bewohnern abhängig und darüber hinaus von einigen äußeren Umständen, so zum Beispiel Notfällen oder der Personalbesetzung. Es gibt Tage, an denen die Hölle los ist und die besonders stressig sind, aber auch solche, an denen relative Ruhe herrscht und alles recht locker läuft. Dann denke ich mir, dass es so immer sein müsste und ich auf diese Weise meine Arbeit am besten und ohne Stress schaffen könnte. Oft muss ich aber ständig auf die Uhr gucken und kann mir nicht einfach genügend Zeit für eine Aufgabe nehmen. Bei vielen Dingen ist es jedoch wichtig, sich Zeit für ein Gespräch zu nehmen, sich hinzusetzen und jemandem in Form eines Gebets oder einer Vorlesung etwas Gutes zu tun. Aber das geht, wie gesagt, nicht immer und es ist schwer, unter Zeitdruck mit den Patienten geduldig zu bleiben. Oft sind die Patienten schlecht gelaunt und motzen herum. An manchen Tagen passiert es, dass vier Leute nach mir rufen, ich aber nur nacheinander zu ihnen kommen kann. Viele Menschen verstehen dies nicht und folglich auch nicht, warum gerade sie so lange warten müssen. Manchmal ist man auch einigen bösartig agierenden Leuten ausgesetzt ist, von denen wohl auch einige bereits vor ihrem Alter so waren – also sich nicht erst dahingehend veränderten, was eine gängige Nebenerscheinung des Alterns sein kann. Oft auch dadurch, weil sich bestehende Persönlichkeitsmerkmale im Alter verstärken
Arbeitsalltag
Der Arbeitsalltag ist unterschiedlich und hängt von dem Dienst ab, den man gerade zu erledigen hat. Meistens fängt der Dienst ziemlich früh an, zwischen sechs und halb sieben, denn ab acht Uhr gibt es für die Bewohner bereits Frühstück und in der Zeit müssen viele schon gewaschen und versorgt werden. Am Wochenende bin ich teilweise für mehr als acht Menschen zuständig und all dies lässt sich nicht in anderthalb Stunden erledigen. Deshalb muss ich ab und zu relativ früh anfangen. Der Arbeitsalltag setzt sich nach dem Frühstück aus dem Einstellen von Tropfen, dem Spritzen geben, dem Blutzuckermessen und allen Tätigkeiten, die sonst noch notwendig sind, zusammen. Bestimmten Leuten muss darüber hinaus das Frühstück gereicht oder ihnen dabei Hilfe geleistet werden. Zwischendurch werde ich immer wieder von Patienten angeklingelt, die auf Toilette gehen müssen und hinzu kommt das Telefon, über das ich Anfragen von inner- und außerhalb des Hauses beantworte. Einige Patienten müssen erst nach dem Frühstück gewaschen oder dann erst aus den Betten herausgeholt werden. Darunter zählen zum Beispiel die Bettlägerigen. Danach müssen noch die Pflegewagen gereinigt und neu bereitgestellt werden. Auf dies folgt meist eine Personalpause mit Frühstück.
Im weiteren Verlauf müssen wir Zwischenmahlzeiten verteilen, Tabletten bereitstellen und bei Ärzten anrufen. Auf diese Weise habe ich viel mit anderen Berufsgruppen zu tun, zum Beispiel den Krankengymnasten oder den Mitarbeitern der Sanitätshäuser. An einem Tag in der Woche kommt die Wäsche der Bewohner zurück, die außerhalb gewaschen wurde und an ihre Besitzer verteilt werden muss. Einmal im Monat müssen alle Bewohner gewogen werden. Wenn es einem bestimmten Bewohner sehr schlecht geht, müssen wir eventuell sogar Sterbe- und Verwandtenbegleitung leisten, wodurch ich in viele Gespräche mit Menschen verwickelt werde. Daneben gibt es zahlreiche Formalitäten, die zu erledigen sind und Visiten, wenn der Arzt die Bewohner besucht. Nach dem Mittagessen werden viele Bewohner für einen Mittagsschlaf ins Bett gebracht, wonach der Frühdienst meist beendet ist und die Dienstübergabe stattfindet. Die Mitarbeiter im Spätdienst sind unter anderem für das Kaffeetrinken und das Abendbrot zuständig und natürlich für alle sonstigen pflegerischen Tätigkeiten, die auch beim Frühdienst anfallen.
Verhältnis zum Alter und zum Tod
Dadurch, dass ich mit dem Alter und dem Altern zu tun habe, habe ich weniger Angst vor meinen eigenen späten Jahren und sehe dies daher nicht allzu schlimm. Ich muss abwarten, was auf mich zukommt und kann schließlich jetzt noch nicht wissen, wie ich mich entwickle und ob ich im Alter Schmerzen erleiden muss. Wenn man nicht sehr schwer krank wird und man dennoch Leid erfährt, liegt das, so glaube ich, zu einem großen Teil am Menschen selbst und wie er sein Alter erlebt. Es mag Menschen geben, die im Alter nur noch rumsitzen und ständig ihre Kinder sehen wollen, obwohl diese sie eigentlich schon oft genug besuchen. Sie sind ferner nicht bereit, an Veranstaltungen im Heim teilzunehmen und viele haben sich psychisch derart verändert, dass sie ihr Verhalten gar nicht mehr willentlich steuern können. Ihnen fehlt die intellektuelle Fähigkeit, über ihr Handeln nachzudenken und es gibt daher so manchen traurigen Fall, bei dem die alten Menschen in eine Art Kindheitsphase zurück verfallen, in der sie wieder von ihrem Vater oder ihrer Mutter reden und meinen, dass diese noch leben würden. Sie wollen wie ein kleines Kind nach Hause und erkennen nicht mehr, dass sie selbst schon sehr alt sind und ihre Eltern folglich nicht mehr leben. Man kann diese Menschen nicht mehr trösten, weil sie ihre Situation intellektuell gar nicht mehr erfassen können.
Der Tod im Altenheim ist für mich schon ein wenig zur Routine geworden. Aber komischerweise hat es mich auch beim ersten Mal, als jemand starb, nicht so stark beeinflusst, dass ich nur noch daran denken oder nicht mehr schlafen hätte können. Ich wusste bei meiner Berufswahl schließlich, dass ich in dem Beruf mit dem Tod konfrontiert werden würde und bin mit dieser Einstellung an die Arbeit gegangen. Hätte ich einen anderen Beruf erlernt, würde ich das Sterben zwar nicht mitbekommen, aber es würde dennoch stattfinden und für mich ist in meinem Beruf daher eher von Belang, ob der Tod für diese Menschen erträglich ist und inwiefern ich ihnen dabei etwas Gutes tun kann. Ich versuche bis zum Schluss, einfühlsam zu sein und darauf zu achten, was derjenige braucht. Es gibt Menschen, die sterben friedlich, während andere elend an einer Krankheit zu Grunde gehen. Aber das kommt glücklicherweise nicht so oft in diesem Altenheim vor.
Es ist für mich auch nicht besonders schlimm, wenn die Personen im Altenheim sterben, die mir besonders ans Herz gewachsen sind, weil ich von vorneherein weiß, dass so etwas passieren wird und ich daher damit rechnen muss. Das ist etwas anderes, als wenn in meinem Privatleben jemand sterben würde. Es ist aber durchaus so, dass dies einigen unter meinen Kollegen näher geht als mir. Bei einigen Sterbenden findet eine Art Aussegnung im Haus der Verwandten statt, bei der nochmals vom Verstorbenen, seinem Leben und seinem Verhalten geredet wird. Dabei werden auch unsere Erlebnisse mit dem Menschen angesprochen und während ich das als etwas recht schönes empfinde, gehen andere Kollegen dort eher mit dem Gefühl hin, heulen zu müssen. Ich erinnere mich an eine Patientin, die eigentlich jeder Kollege im Heim süß und nett fand. Sie war schon etwas dement und konnte durchaus auch etwas ärgerlich werden, wenn man sie waschen, sie selbst das aber nicht wollte. War sie aber gut drauf, dann waren alle hocherfreut an ihr, weil sie sehr viel Positives ausstrahlte. Sie konnte auf diese Weise sogar mir gut tun, als es mir privat schlecht ging und allein ihre Anwesenheit mich wieder erfreuen konnte. Bei ihr war uns oft klar, dass sie uns fehlen würde, wenn sie nicht mehr da ist. Als es aber soweit war, empfand ich es gerade nicht als besonders schlimm, eben weil mir schon vorher bewusst war, dass dieser Zeitpunkt kommen würde. Da mag ich vielleicht ziemlich hart klingen, aber ich denke, dass es in meinem Beruf viel wichtiger ist, mit Herz und Freundlichkeit bei der Arbeit zu sein, solange die Menschen noch leben.
Umgangsweisen
Ich kann, obwohl der Job körperlich sehr kräftezehrend ist, dennoch Energie aus dem Beruf schöpfen, indem ich viel von den Menschen zurückbekomme. Manche ältere Menschen sind einfach lustig und pflegen einen lockeren Umgang. In einem speziellen Fall hat mich eine Frau immer wieder „Schwesterlein“ genannt, weshalb ich sie irgendwann „Gerdalein“ nannte, weil sie mit Vornamen Gerda hieß. Daraufhin fragte sie mich, ob sie auch meine Vornamen verniedlichen dürfte, weil sie sonst gar nicht wüsste, wie sie mich nennen soll. Wenn das Telefon klingelt, meinte sie stets, es wäre der „Hausfreund“, der anruft und bot mir ihr Zimmer an, als ich ans Telefon ging. Die gleiche Person kann aber andererseits ziemlich nervig sein, wenn sie mal wieder komisch drauf ist. So muss sie manchmal mehrere Male die Rufklingel testen oder meint, ich würde sie nicht verstehen, obwohl ich ihr mehrmals versichere, dass das nicht der Fall ist.
Viele Menschen sind einfach dankbar oder süß und knuffig, also solche Leute, die man kaum anders als nett und lieb beschreiben kann. Andere wiederum sind sehr schwierig und gar nicht zum knuddeln. Viele Menschen duzen mich auch einfach, obwohl sie das eigentlich gar nicht dürfen, aber da ich viel mit ihnen zu tun habe, auch im Intimbereich, und mit ihnen Freud und Leid teile, kann ich oft gar nicht anders als eine besondere Beziehung zu ihnen zu entwickeln. Eigentlich sollte das gar nicht passieren und wenn ich will, kann ich das auch gut trennen und bin nicht zu Tode betrübt, wenn die Menschen beispielsweise sterben. Wenn mich aber schon jemand duzt, mache ich das auch bei ihm und viele können aufgrund der Kindheitsphase, in die sie verfallen, mit einer förmlichen Anrede gar nichts mehr anfangen. Würde ich das tun, kann es passieren, dass sie gar nicht reagieren. Bei wiederum anderen alten Menschen würde man so etwas niemals machen, weil sie (noch) einen klaren Verstand haben und bei der Sache sind, weshalb ich höflich beim „Sie“ bleibe.
Personalabbau und Helfermenschen
Die Arbeit in der Altenpflege wird immer schlechter, weil mit immer weniger Personal immer mehr gefordert wird. In unserem Haus wird seitens des Qualitätsmanagements viel verlangt und eigentlich müssten wir bei jedem Bewohner jede Kleinigkeit durchführen. Das aber ist praktisch gar nicht durchführbar und würde enormen Stress für uns bedeuten. In anderen Häusern wird vielleicht noch weniger darauf geachtet, aber meistens haben diese noch weniger Personal und müssen daher mit noch mehr Stress umgehen. Fast alle Einrichtungen sind mittlerweile knapp besetzt und man hört in fast jedem deutschen Altenheim, dass sie sich mehr Personal wünschen würden. Es ist ein Helferberuf und daher arbeiten bei uns viele Menschen, die gerne helfen und bereit sind, persönliche Dinge zurückzustecken und dafür anderen Menschen etwas zu geben. Im Krankenhaus war ich an die Hierarchie gebunden und habe einfach das ausgeführt, was die Ärzte und die Leitung mir gesagt haben. Dort gibt es wenig „Pflegeaufstände“ und man ist als Krankenschwester gewohnt, „Mädchen für alles“ zu sein, das heißt viele Aufgaben zu erledigen, die dringend sind. Diese Arbeit muss funktionieren und es wird gefordert, viele Arbeiten gleichzeitig zu erledigen.
Diese Einstellung nimmt man als Krankenschwester mit in die Altenpflege und man kann sagen, dass die Altenheime und der Staat diesen Umstand ausnutzen. Als niedergelassener Arzt nimmt man sich für seine Patienten und die Untersuchung mehr oder weniger Zeit und arbeitet alle hintereinander ab. Daher kommen nur wenige Menschen auf die Idee, einen Arzt aufgrund der langen Wartezeiten anzumotzen, während wir, wenn bei uns die Menschen eine Zeit lang warten müssen, sofort Klagen einstecken müssen, obwohl wir auch nur Menschen sind, die schwer mehrere Aufgabe gleichzeitig erledigen können. Die Menschen aber rufen bei uns an und denken, dass wir sofort für ein zehnminütiges Gespräch Zeit haben. Das wird überhaupt nicht in Frage gestellt und es fehlt häufig an Verständnis für unsere Situation. Dadurch aber, dass hier hauptsächlich „Helfermenschen“ arbeiten, versuchen wir es immer allen recht zu machen. Es gibt zwar auch welche, die sich darauf nicht einlassen, aber bei der Mehrheit der Menschen, die diesen Beruf ausüben, ist es so und nicht anders.