Gewaltfreie Kommunikation
Eine innere Lebenseinstellung drückt sich auch in unserer Sprache aus. Wir kommunizieren anders, wir leben , Freundlichkeit, Herzlichkeit. Dabei ist es völlig gleich, was du vermitteln möchtest. Möchtest du nur Belangloses mitteilen, deinen Partner um etwas bitten oder einem Mitarbeiter etwas Wichtiges rückmelden?
Die innere Haltung hat erstaunliche Auswirkungen bei deinem Gegenüber.
Was tun, wenn der andere Interessen vertritt und nicht auf dich hören möchte? Lauter sprechen? Schreien? In der Erziehung von Kindern wird genau das regelmäßig praktiziert. Ebenso in der Kommunikation zwischen Liebespaaren. Oder zwischen ganzen Ländern. Die Auswirkung der Kommunikation kann manchmal über langjährigen Krieg und Frieden entscheiden.
Wenn sich zwei Erwachsene lauthals streiten oder einander verbittert sind, liegt das in vielen Fällen daran, dass sich mindestens einer der Streithälse angegriffen fühlt, blockiert und sich durch Gegenwehr schützt. Das, was schmerzt kann oft auch nur ein unbewusst wahrgenommener Schmerz sein, der einfach nur als Angriff wahrgenommen wird. Auslöser des Streits ist in vielen Fällen ein verbaler Angriff auf eine andere Person. Selbst dann, wenn der Angriff gar nicht als solcher vom Ausgesprochenen wahrgenommen wurde.
„Wer viel spricht hat weniger zu denken.“ (Indisches Sprichwort)
Marshall Rosenberg, ein Schüler des bekannten Begründers der klientenzentrierten Gesprächstherapie, Carl Rogers, nahm sich in besonderer Art und Weise der Lösung von Streitigkeiten an und versuchte diese durch Empathie und Beobachtung durch Zuhören ohne Bewertung zu lösen (siehe auch Gewaltfreie Kommunikation, kurz GfK). Zuhören hat zu tun mit eigener Stille und Wahrnehmung des Erlebens. Als Konfliktvermittler ist eine Säule seines Lösungsansatzes, Gefühle und das wirkliche Bedürfnis der Streitenden zu erkennen. Oft streiten sich Menschen und sagen, was sie wollen, jedoch nicht, warum und was ihr Verlangen mit ihrem inneren Bedürfnis zu tun hat. Es wird also gestritten, aber keiner kennt den wirklich dahinter liegenden Grund. Zu Recht erscheinen dabei Lösungen oft nicht möglich. Von außen könnte man nun zum Beispiel als Richter eine Lösung erzwingen, die oberflächig gerecht erscheint. Aber ohne mehr über die Bedürfnisse der einzelnen Streitenden zu wissen, wird diese von außen herbeigeführte Lösung von den Betroffenen mitunter wiederum einfach nur als ungerecht empfunden.
Ein gängiges Beispiel in der Konfliktlösung ist das Beispiel zweier Kinder, die sich um eine Orange streiten. Die genervte Mutter schreitet ein, teilt die Orange und gibt jedem der Kinder eine Hälfte. Doch der Streit geht weiter, wurde nicht gelöst. Warum?
Beim genaueren Nachfragen, warum die Kinder diese Orange benötigen, erfahren wir, dass das eine Kind die Schale zum Backen und das andere Kind das Innere der Orange benötigt, um Saft herzustellen … eigentlich wäre also eine Win-Win-Lösung möglich, wenn die Kinder es geschafft hätten, nicht nur Ihre Forderung, sondern auch ihre Bedürfnisse auszudrücken oder zumindest die Mutter ihre Kinder nach deren Bedürfnissen befragt hätte.
Dieses Beispiel zeigt eine zunächst psychologische und rein technische Angelegenheit der Kommunikation. Man könnte jetzt weitere Vorschläge machen, wie eine hilfreiche Kommunikation in der konkreten Ausführung umsetzbar wäre. Ein üblicher Tipp wäre, besser in „ich“-Form anstatt in „Du“-Form zu sprechen, womit per se schon nur schwer ein Angriff möglich ist. Doch ich möchte hier den Fokus auf den Aspekt der Liebe setzen.
Wenden wir uns davor nochmals Marshall Rosenberg zu. Er führte den Begriff der Wolfssprache und der Giraffensprache ein. Als Wolfssprache bezeichnete er bewertende Angriffe wie „Du arbeitest unordentlich und schlampig. Bis morgen arbeitest Du die Aufgaben sauber aus“. Dies verglich er mit kläffenden Wölfen, die sicher kein friedvoller Anblick sind. Als Giraffensprache bezeichnete Rosenberg eine friedvolle Kommunikation wie „Deine erledigten Aufgaben sind fehlerhaft und unvollständig. Das ärgert mich. Ich frage mich, warum du unsere vereinbarten Aufgaben nicht sauber erledigst. Bitte sage mir, ob Du bereit bist, von nun an die Aufgaben mit Sorgfalt zu erledigen oder mit mir eine Lösung zu finden, wie wir die Zusammenarbeit für beide Seiten erfreulich hinbekommen“. Er verglich die friedvollle Kommunikation mit Giraffen, die aus seiner Sicht sinnbildlich friedvoll miteinander umgehen (oder haben Sie schon einmal das Bild einer kläffend, schreienden Giraffe gesehen?).
Dieses Bild der Giraffensprache und Wolfssprache finde ich schön bildhaft, um über Liebe in der Kommunikation zu schreiben.
Gerade beim Umgang mit Kindern lässt sich das eindrucksvoll zeigen: Schreien Eltern regelmäßig mit Ihren Kindern, werden diese manchmal wie „taub“. Glücklicherweise nicht wirklich taub, aber bezüglich der Wünsche ihrer Eltern oder ihrer übrigen Umwelt erstaunlich ignorant. Bei normalem Umgangston reagieren diese Kinder gar nicht mehr oder nur selten. Sie reagieren dann nur noch, wenn geschrien wird. Sie haben im Laufe der Zeit die Wolfssprache erlernt und verstehen keine Giraffensprache mehr. Anfangs in ihrem Leben war das noch anders: Kinder sind sehr sensibel auf die Schwingungen ihrer Umwelt. Mit der Zeit, wenn regelmäßig zur Durchsetzung von Interessen das Hilfsmittel des Geschreis genutzt wird (was anfangs ja wunderbar funktioniert, aber eben nur für eine bestimmte Zeit), stumpfen diese Kinder ab. Jeder Mensch. Ob groß oder klein. Was andere als starkes Signal empfinden, wird von den abgestumpften Menschen mitunter nicht einmal als richtungsweisend interpretiert.
Ich erlebe dies manchmal bei mir fremden Kindern: Man lernt sich z.B. über die Verwandtschaft oder den Freundeskreis kennen. Mit der Zeit werden, was bei Kindern nicht ungewöhnlich ist, Grenzen von Seiten der Kinder überschritten. Diesen dann durch eine friedvolle Kommunikation die notwendigen Grenzen aufzuzeigen, mit der Bitte, dies oder das sein zu lassen, funktioniert nur holprig, wenn überhaupt. Es ist, wie wenn eine Giraffe mit einem Wolfskind spräche! Schaue ich mir die Kommunikation der Eltern genauer an, wird meist schnell klar, dass regelmäßig innerhalb der Familie geschrien wird. Es wird mir deutlich, dass in dieser Familie die Wolfssprache gelehrt wird. Damit mich diese Kinder verstehen, müsste ich in die Wolfssprache ihrer Eltern wechseln. Natürlich möchte ich das nicht. Aber es würde lange dauern, bis diese Kinder meine Sprache verstehen. Am einfachsten wäre es, wenn die Eltern anfingen, ihre Kommunikation zu verändern. Sich für einen liebevollen Umgang entscheiden, einen friedvollen Umgang, der dauerhaft wohl sogar effektiver und vor allem oft konsequenter wäre.
Doch das ist natürlich nicht nur im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern so. Das Gleiche gilt für jede andere menschliche Beziehung wie in der Partnerschaft oder im Büro. Die Ausprägung der Wolfssprache unterscheidet sich dabei zwar, aber auch ein verbaler Angriff ohne Geschrei ist Gekläffe und kann eine destruktive Gegenreaktion beim Gegenüber auslösen.
Zärtlichkeit der Sprache
Für mein Buch „Berufsgeschichten“ (siehe berufsgeschichten.de) interviewte ich eine Menge berufstätiger Menschen und befragte sie zu Ihrem Beruf, wie sie dazu gekommen sind, wie sie ihre Arbeit erleben und was sie über diese denken. Das Interview mit einem Pfarrer in Ruhestand, der noch immer zeitweise, wenn auch begrenzt seine Berufung ausübt, blieb mir lange in Erinnerung. Nicht nur, dass er fern von Religion viel über Liebe sprach. Mich beeindruckte vor allem sein Ausdruck „Zärtlichkeit“ in Verbindung mit zwischenmenschlichem Umgang. Dass er spüre, wie unterschiedlich die Zärtlichkeit bei manchen Paaren und Familien, die er betreue, ausgeprägt sei. Und, dass es vor allem Zärtlichkeit ist, dass er jedem Brautpaar ans Herz lege. Zärtlichkeit, wohlgemerkt, die über körperliche weit hinausgeht.
Zärtlichkeit ist ein wundervolles Wort, das in diesen Kontext zauberhaft hineinpasst. Liebe ist wundervoll zärtliche Schwingung. Und geht es bei all den Ausführungen über kommunikative Angriffe nicht eigentlich um Mangel von Liebe? Also im Umkehrschluss zur Lösung um ein schönes Miteinander, liebevolle Kommunikation – Zärtlichkeit in purster Reinheit? Neben aller technischer Hilfsmittel und psychologischer Ratschläge, wie die Kommunikation zwischen Menschen verbessert werden kann, ist es doch die grundsätzliche liebevolle Haltung, die dazu beiträgt, in Achtung und mit Respekt zu kommunizieren. Kommunizieren heißt nicht nur zu sprechen, denn die non-verbale Kommunikation ist ja bekannter weise die sogar viel mächtigere und ausgeprägtere Art. Wie könnte überhaupt ein Verständigungsproblem aufkommen, wenn jemand wirklich in Liebe ist und in Liebe handelt? Dabei geht es gar nicht einmal nur um Respekt oder Achtung. Sondern vor allem um eine liebevolle Haltung dem anderen gegenüber – jedem Gegenüber. Ganz gleich ob Partnern, Kindern, Familienmitgliedern, Freunden, Bekannten oder Unbekannten gegenüber.
In Liebe sein heißt, in Liebe zu sein mit sich, seiner Umwelt und dem Ganzen, allem uns Umgebenden. Wer liebt wird andere, ohne es zu wollen, dazu befähigen, selbst zu lieben. Die in obigem Beispiel beschriebenen Wolfseltern lieben sicherlich ihre Kinder. Aber lieben sie sich selbst? Und befähigen sie durch ihre Art deren Kinder, aus vollem Herzen lieben zu lernen? Sicher wird das später durch die Kinder noch möglich werden. Aber hätten sie es nicht leichter, von vornherein ein herzliches Miteinander zu erlernen? Schreien heißt in erster Linie Grenzüberschreitung, nur sekundär Hilflosigkeit, Wut, Aggression oder Gewalt, wenn das Schreien auf andere Personen gerichtet ist. Es wird also in vielen Fällen paradoxerweise eine Grenze überschritten, obwohl oft eigentlich das Ziel ist, dem anderen eine Grenze zu zeigen!
Der Weg einer inneren Haltung des in Liebe seins
Ich bin davon überzeugt, dass Grenzen setzen und jegliche Art der Wunschübermittlung in den allermeisten Fällen mit Hilfe eines friedvollen Umgangs möglich ist. Noch leichter wird es, wenn du eine Grundhaltung des in-Liebe-seins einnimmst. Verabschiede dich von der Vorstellung, dass Liebe ausschließlich auf Liebesbeziehungen oder auf Familienmitgliedern reduziert wird. Öffne dich für eine Grundhaltung der Liebe, in der du deine Brust und dein Herz öffnest – jedem, dem du begegnest. du begegnest dir alleine schon laufend – sei also zu allererst in Liebe mit dir. Gleichzeitig begegnest täglich anderen Menschen, Tieren der Natur – sei auch mit ihnen in Liebe. Sammle das aufsteigende Gefühl, dass sich vielleicht schon jetzt beim Lesen dieser Zeilen bei dir im Bauch oder der Brust bemerkbar macht, verstärke es, atme in dich hindurch. Immer wieder und lass dieses Gefühl in dir angenehm kreisen. Verstärke es durch dein Atem und atme ganz bewusst durch alles hindurch, was dich umgibt. Atme in Liebe ganz bewusst durch alles hindurch, was dich umgibt. Das schließt auch das Universum ein, alles, das Ganze, all das, was dich und deine Umwelt umgibt…
Du magst manchmal wütend, zornig, genervt oder frustriert sein. Vielleicht verlässt du dabei deine Mitte, dein Gefühl, in Liebe zu sein. Vielleicht rutscht dir dann manchmal etwas über die Lippen, was du später bereust. Das ist o.k. und menschlich. Lass es aber nicht zur Gewohnheit werden, denn auch Deine Umwelt wird geprägt und erlernt automatisch mit dir eine andere, wenig friedvolle Sprache und innere Haltung.
Sei in Liebe. Heute. Entscheide dich für dieses wunderbare Gefühl. Für eine Grundhaltung, für ein wundervolles Leben. Du bist Liebe. Erinnerst Du Dich, wie herzlich und friedlich Babys aussehen? Du selbst warst einmal eines. Und tief in dir gibt es noch immer dieses innere Kind, das du täglich umarmen oder zärtlich streicheln kannst. So, wie du es mit jedem anderen süßen Kind tun würdest. Achte auf die Sprache der Liebe. Bei deiner inneren, liebevollen Haltung und Sprache fängt nämlich eine Umarmung bereits an.
Umarme liebevoll alles, was dich umgibt: In allem, in dir wie auch in allem deiner Umwelt gibt es eine Schönheit, die leuchtet, wenn du sie genauer betrachtest. In allem steckt ein wunderbares Wesen, so wie sich ein Baby ganz offensichtlich offenbart. Habe auch als Mann Mut, das alles zu tun, auch, wenn du als Mann glaubst, das sei doch nicht männlich oder gar dämlich. Das Gegenteil ist der Fall! Die Sprache und liebevolle Haltung hat nichts mit Mann oder Frau sein zu tun. Wenn du nämlich als Mann eine Wolfssprache brauchst, um als Mann wahrgenommen zu werden, dann ist es doch gerade bedenklich, dass sonst dein Mann-sein nicht erkannt würde.
Und wenn du nach dem Lesen dieses Textes erkannt hast, dass du etwas an deiner Sprache ändern möchtest, jedoch bei der Umsetzung überfordert bist: Lese Werke von Marshall Rosenberg, nimm an Schulungen zur Gewaltfreien Kommunikation teil oder suche eine Beratungsstelle auf, die dir weiterhilft. Deine Umwelt wird es dir danken. Du selbst wirst glücklicher. Entscheide dich heute für In-Liebe-sein!
Hier gibt es weitere Gedanken für ein glückliches, selbstbestimmtes Leben
Hilfe benötigt? Praxis für Kurzzeitherapie, Coaching und Mediation von Nick Melekian in Wiesbaden
© 2014 Nick Melekian – Auszüge, auch teilweise, nur nach vorheriger, schriftlicher Genehmigung