Interview mit einer Floristin
Ist die zentrale Qualifikation für den Beruf der Floristin Kreativität? Das ist, wie diese Floristin erläutert, zwar eine Kernqualifikation, aber keineswegs die einzige. Man arbeitete körperlich schwer, müsse gut rechnen und auch unter Zeitdruck sauber arbeiten können. Diese Floristin durchlief erst eine andere Ausbildung und kam durch den elterlichen Betrieb zu ihrem heutigen Beruf, was sie mittlerweile ganz und gar nicht bereut. Nun leitet sie einen eigenen floristischen Betrieb und erläutert neben der Beschreibung ihres Berufs auch Anforderungen an heutige Auszubildende.
Sie ist Mitte vierzig, verheiratet, ohne Kinder und arbeitet seit zweiundzwanzig Jahren als Floristin. Das Gespräch findet in einem kleinen Büro statt, das hinter dem blumengeschmückten Ladenlokal und dessen Nebenzimmer, wo die Blumen zu Sträuße verarbeitet werden, liegt. An der Wand des Büros lehnen große Holzblumen, die eventuell für spätere Verzierungen im Laden oder bei Kundenveranstaltungen Verwendung finden werden.
Mein Elternhaus hatte schon zu Zeiten meines Großvaters Blumengeschäfte und ich bin daher bereits naturverbunden aufgewachsen, sodass es mein Berufswunsch war, in diesem Bereich tätig zu werden. Ich verließ das Gymnasium mit dem Erreichen der mittleren Reife und begann die Ausbildung zur landwirtschaftlich-technischen Assistentin (LTA) mit gleichzeitiger Erlangung der Fachhochschulreife. Die Ausbildung dauerte zwei Jahre, und ich hatte am Ende wie meine früheren Mitschüler auf dem Gymnasium die Möglichkeit, an einer Fachhochschule zu studieren. Das fand ich eine tolle Sache und hatte nach zwei Jahren bereits eine naturverbundene Ausbildung – die reine Theorie an der Schule hätte mich eher verrückt gemacht. Die Ausbildung fand auf einem Berufskolleg statt und es herrschte ein völlig anderes Klima als an der Schule, da ich nun unter Personen war, die diesen Beruf auch wirklich ergreifen wollten. Ich lernte verschiedene Bereiche kennen wie zum Beispiel Tierhaltung oder Agrikulturchemie, letztere bezeichnet das Wissen über Boden und Nährstoffe. Ich wurde auch in Ernährungswissenschaften unterrichtet, was ich besonders gut fand, weil das ja jeden betrifft. Mit diesem Wissen hätte ich nach meiner Ausbildung direkt ins Labor gehen können, aber dann hätte ich mein ganzes Leben lang im Labor arbeiten müssen – und das war mir wiederum zu wenig (lacht).
Es ergab sich in dieser Zeit, dass eine Floristin aus dem Betrieb meiner Eltern in den Mutterschaftsurlaub ging und meine Eltern mir vorschlugen, im elterlichen Betrieb ein halbes Jahr auszuhelfen. Ich sollte die fehlende Stelle lediglich überbrücken, da meinen Eltern bewusst war, dass die Floristin zurückkommen wollte. Vom Blumengeschäft aus hörte ich unseren Meister stets schnaufend ans Telefon rennen, da wir einige Telefonleitungen hatten, und er tat mir in dieser Zeit sehr leid, weil er so viel Arbeit hatte. Unser Betrieb war zusätzlich im Bereich der Friedhofspflege tätig und wenn dort etwas getan werden musste, war der Meister alleine im Geschäft und musste einerseits die Tätigkeiten im Gartenbau erledigen, andererseits sich auch um den Verkauf kümmern. Das war zusammen sehr viel Arbeit. Ich beschloss darauf, doch noch für eine längere Zeit zu bleiben, das aber nur unter der Bedingung, dass ich den Beruf des Gärtners erlernen könne. Ich blieb länger als erwartet, später ging ich noch an die Abendschule, um den Meister zu machen.
Es ergab sich, dass der Meister in unserem Betrieb aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste – insofern war meine Entwicklung eine recht interessante. Ich weiß nämlich nicht, ob ich mich nach meiner Ausbildung zur LTA anders entschieden hätte, wenn unser Floristik-Betrieb mich damals nicht gebraucht hätte. Vielleicht wäre ich doch noch studieren gegangen – ich habe mir immer alle Wege offen gehalten. Aber es war ein neuer Meister in unserem Betrieb notwendig und mein Bestreben lag darin, diesen Betrieb weiter auszubauen und meine Eltern zu unterstützen. Ich dachte mir, dass es die Pflicht der Kinder sei, ihre Eltern, da sie uns ja selber auch groß gezogen haben, in ihrem Leben zu unterstützen. Mit gemeinsamen Ideen und Power war es darüber hinaus möglich, den Betrieb weiter nach vorne zu bringen. Mein jüngerer Bruder entschloss sich nämlich zu dieser Zeit ebenfalls, Gärtner zu werden. Das alles stellte eine gute Ausgangsbasis für die nachhaltige Fortführung des Betriebs dar und es wäre schade gewesen, wenn wir Kinder die Eltern verlassen hätten.
Geschäftsführerin
Ich bin in unserem Laden, den ich zusammen mit meinem Bruder habe, die Geschäftsführerin und habe den gesamten floristischen Verkaufsbetrieb unter mir. Zum einen beschäftigt mich die gesamte Organisation, zum anderen aber auch die Ausbildung der Azubis. Ich organisiere den täglichen Betriebsablauf und verteile beziehungsweise delegiere die Arbeiten. Mein Anliegen ist es, auch meine Arbeit noch stärker auf die Mitarbeiter zu verteilen, da mir dies bisher leider nur ungenügend gelingt. Das hängt natürlich auch davon ab, wie viele Mitarbeiter man in einem Betrieb hat und wie viele von denen in unserem Betrieb selbst ausgebildet worden sind. Da unser Beruf ein weiblicher ist, haben wir den Nachteil, dass viele Mitarbeiterinnen, wenn sie eine Familie gründen, wieder ausscheiden und in Mutterschaftsurlaub gehen oder aber von vornherein mit den extremen Arbeitsbedingungen nicht zurechtkommen. Denn wir arbeiten hauptsächlich dann, wenn andere Menschen frei haben. Zum Beispiel ist bei uns in Zeiten des Osterurlaubs oder zum ersten Mai Hochbetrieb, also dann, wenn zum Beispiel andere Wandern gehen. Zu diesen Hochbetriebszeiten gehört auch Pfingsten, an dem ebenfalls die meisten Erwerbstätigen Feiertage genießen können. Weitere Hochbetriebszeiten sind unser alljährlicher Tag der offenen Tür, Muttertag, Allerheiligen, Advent, Weihnachten und Silvester, sodass eigentlich nur in den Sommerferien oder im Januar die nötige Ruhe für eigenen Urlaub einkehrt.
Im Alltag bin ich in der Regel oft selbst im Geschäft zu finden. In Hochbetriebszeiten sowieso. Ich bemühe mich aber dennoch, im Hintergrund zu bleiben, um die Weiterbildung meiner Mitarbeiter forcieren zu können. Ich habe früher den Fehler gemacht, viel zu sehr im Vordergrund bei den Kunden zu arbeiten. Damals war das auch nötig, weil der Kunde die jungen, neuen Mitarbeiter nicht kannte und kein Vertrauen in sie hatte. Dadurch, dass diese Mitarbeiter mittlerweile gut angenommen wurden, ist es mir aber jetzt wieder möglich, mehr im Hintergrund zu bleiben. So produziere ich und nehme mir dabei nach Möglichkeit einen Mitarbeiter dazu, damit er was lernen und sich weiterbilden kann. Mit einem Ohr bin ich aber immer beim Geschehen und kann flexibel reagieren, wenn zum Beispiel aufgrund spezieller Anforderungen größere Mengen bestellt werden müssen. Aufgrund meiner Kenntnisse im Einkauf weiß ich, was machbar ist und was nicht. Manchmal kommen Kunden auch mit besonderen Anfragen oder wenn er Fragen bezüglich der Pflege von Pflanzen im eigenen Garten hat. Da kann ich dann wichtige Informationen an diese weitergeben.
Qualifiziertes Personal
Nachdem mein Bruder und ich in den Betrieb eingestiegen sind haben wir zunächst kleinere Läden, die zu unserem Betrieb gehörten, geschlossen. Denn unsere langjährigen Mitarbeiter in den anderen Läden sind entweder durch Krankheit oder wegen des Alters ausgeschieden und es war uns damals, in den neunziger Jahren, nicht mehr möglich, Kräfte zu finden, die mit ausreichend Elan eine Filiale leiten, sodass diese einen ähnlichen guten Ruf haben wie unser Stammbetrieb. Wir hätten also viel herumfahren müssen, um ständig vor Ort in den Filialen präsent zu sein – in verkehrsträchtigen Zeiten hängt das Überleben solcher Läden aber dann nicht zuletzt von der Anreisezeit ab. In den Innenstädten ist die Parkplatzsituation heikel und wir zogen uns daher immer aus den Filialen zurück. Vor zehn Jahren begannen wir im Gegenzug mit dem Anbau des Stammbetriebs. Unter einer bestimmten Betriebsgröße ist kein Anbau effektiv, das bedeutet, dass man als kleiner Betrieb entweder nur Verkauf oder nur Gartenanbau betrieben kann, denn alles andere wäre nicht rentabel. Wir hätten unseren Betrieb auch irgendwohin, raus aus der Stadt, „auf die Wiese“ verlegen und einen reinen Produktionsbetrieb einrichten können, aber wir wollten gerne im Stammbetrieb in der Stadt bleiben. Beim Ausbau haben wir einiges abgerissen und einen großzügigen Endverkaufsbetrieb eingerichtet.
Für meinen Beruf sollte man Naturverbundenheit in Kombination mit einem überdimensionalen Engagement mitbringen. Das fällt all denen leicht, die etwas in dieser Richtung machen möchten und es fällt jenen schwer, die sich unter Floristik nichts weiter als einen kreativen Job vorstellen, bei dem man Gestecke zusammenstellt. Es ist nämlich auch eine Arbeit, bei der man richtig dreckige Finger bekommen kann, wenn man nur Pflanzschalen macht oder mit harzigem Material arbeitet. Eventuell sticht man sich auch mit Draht oder schneidet sich mit scharfen Werkzeugen und es ist gut, wenn man sich daran nicht stört. Es ist zwar ein Frauenberuf, aber nichts für Frauen, die viel Wert auf ein extrem gereinigtes Äußeres legen. Davon abgesehen ist natürlich ein adretter Auftritt, was Kleider betrifft, kein Fehler, aber man sollte es in einem natürlichen Rahmen und nicht zu überspannt betrachten. Es stimmt schon, dass der kreative Teil des Berufes großen Spaß macht, aber es gehört auch dazu, früh und bei Kälte oder Regen im Freien zu arbeiten.
Wir öffnen um acht Uhr und schließen in der Regel um zwanzig Uhr, das heißt morgens ist um dreiviertel acht Arbeitsbeginn. Wenn wir nicht noch einen Auftrag bekommen, der uns zwingt, länger zu arbeiten, machen wir auch pünktlich Feierabend. Beerdigungen müssen innerhalb von zwei oder drei Tagen organisiert sein, sodass schnell mal einige Überstunden anfallen. Wir haben ruhige Zeiten und solche des Hochbetriebs. In der Adventszeit machen wir unsere Adventsausstellung, die jeweils acht Tage vor dem ersten Advent stattfindet. Dafür müssen wir den gesamten Laden umbauen und, nicht zu vergessen: Nebenher läuft der Betrieb für den Friedhof weiter. Generell wird die Floristik im Herbst stark beansprucht, sodass wir in dieser Zeit viele Arbeitsstunden stemmen müssen. In diesen Zeiten herrscht Urlaubsverbot und freie Tage müssen wir zu anderen Zeiten abbauen.
Es ist also einerseits Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit gefordert, andererseits aber auch in Bezug auf die Einsatzgebiete. Es ist nicht gut, wenn Personen sich in diesem Beruf auf einen bestimmten Bereich festlegen und somit andere Arbeitsbereiche links liegen bleiben. Dem Kunden muss sich der gesamte Laden stets tiptop darbieten; alles muss für ihn und in einer guten Art und Weise gefertigt sein. Kreativität und Engagement spricht die Kunden an, welche in der Regel gerne dorthin gehen, wo sie Ideenvielfalt antreffen. Als Verkäuferin muss man eine freundliche Art mitbringen und man hat es in diesem Bereich sehr schwer, wenn man zwar viele Formen, Farben, Stilrichtungen und überhaupt eine große Vielfalt anbieten kann, aber kein fröhlicher Mensch ist und dies alles somit nicht auch durch seine Persönlichkeit vermitteln kann.
Man sollte sich, um die Freude am Beruf zu erhalten, Ziele setzen und diese auch in der Bildung der Mitarbeiter verfolgen. Dazu muss man kontinuierlich die Fähigkeiten der Mitarbeiter aufbauen, ihnen Arbeitsabläufe vermitteln und sie kontrollieren und korrigieren, um am Ende zu sehen, dass die Mitarbeiter diese Abläufe verstanden haben und etwas daraus machen können. Dann freut er sich, weil er etwas gelernt hat und wir freuen uns, weil wir sehen, dass unsere Arbeit fruchtet und wächst. Somit können wir gemeinsam dann wiederum neue Aufgaben in Angriff nehmen – das ist eine sehr schöne Sache. Wir geben stets einen Zeitrahmen vor, damit die Mitarbeiter wissen, dass sie eine bestimmte Aufgabe in dieser oder jener Zeit bewältigen sollten. Sie können sich diese Vorgabe zum Maßstab nehmen und können daran wachsen.
Unsere Auszubildenden sind vorwiegend Frauen; auf eine Berufschulklasse kommt im Regelfall nicht mehr als ein Mann. Ich glaube, das liegt an der geringen Ausbildungsvergütung und den schlechten Arbeitszeiten. Ich denke, dass dies kennzeichnend ist für die Berufswahl der Männer, welche man ja beispielsweise häufiger als Frauen in Berufen, die mit Informatik zu tun haben, antrifft. Man findet generell mehr Männer in zukunfts- und erfolgsorientierten Berufen, während man in kreativeren Berufen, zum Beispiel Kindergärtnerinnen oder Sozialpädagogen, mehr Frauen findet. Dabei spielt wohl die weibliche Ader stark mit. Es ist auch interessant, dass vor allem die männlichen Auszubildenden in unserem Beruf überdurchschnittlich oft später selbstständig werden, was wiederum nicht so sehr in der Natur der Frauen liegt. Besonders bemerkenswert ist zudem, dass die kreativen Männer in unserem Beruf überwiegend aus dem homosexuellen Bereich kommen. Das ist ähnlich wie beim Frisör, welcher ebenfalls ein kreativer Beruf mit schlechten Arbeitszeiten und geringen Verdienstmöglichkeiten ist.
Es ist aber ein Fehler, bei diesem Handwerk ausschließlich von einem kreativen Bereich auszugehen und zu denken, dass man mit einer Note 4 in Mathematik in der Floristik kein Problem hat. Das ist ein großer Irrtum: Die Betriebswirtschaft spielt mindestens eine genauso große Rolle, weil man mit und vor dem Kunden kalkulieren können muss. Man muss auch den Strauß richtig kalkulieren können, denn ich habe betriebswirtschaftlich keine Chance, wenn ich das Material unwirtschaftlich vergeude. Selbst, wenn man einmal den Preis einer der verwendeten Pflanzen vergisst, muss man überschlagen können, ob der Preis stimmen kann oder nicht. Wir hatten schon Mitarbeiter, die nicht unterscheiden konnten, ob ein bestimmtes Gesteck bei vierzig oder achtzig Euro liegt. Eine solche Situation ist für einen Betrieb über die Jahre natürlich verhängnisvoll.
Speziell bei uns sind auch Fremdsprachenkenntnisse wichtig, weil hier viele Amerikaner leben und daher die englische Sprache immer wichtig ist. Mehr und mehr spielt auch bei uns die Computertechnik eine Rolle, wobei wir sie in der Buchhaltung natürlich schon länger benutzen.
Aufgaben, Werke und Herausforderungen
Es gibt sehr anspruchsvolle Aufgaben. Viele Werke entstehen in Gemeinschaftsproduktion, bei denen wir zu zweit oder dritt überlegen, wie wir Technik und Ausdruck einer Arbeit bestmöglich verwirklichen und welche Farben und Teile wir einsetzen. Wir fragen uns gemeinsam, ob wir das erreicht haben, was wir wollen und was den Vorgaben des Kunden entspricht. Diese Besprechung mit dem Kunden ist ebenfalls eine ganz wunderbare Sache. Er kommt zu uns und hat ein bestimmtes Event vor der Brust, das er ausstatten möchte. Wir entwickeln dann mit ihm einen Raumoder Tischschmuck, tauschen uns über die Farben aus, mit denen dekoriert werden soll, und versuchen mit viel Gefühl das zu erfassen, was der Kunde sich wünscht. Durch dieses Gefühl, dass der Kunde uns vermittelt und das ich an meine Mitarbeiter weitergebe, damit sie das Werkstück dementsprechend gestalten, steckt jeder tief in der Arbeit drin. Ich nehme alles das, was ich jemals gelernt habe, mit in das Werkstück hinein und schließlich ist das Werk fertig. Das ist ein sehr schönes Erlebnis und ich bin immer besonders gespannt auf das Feedback des Kunden. Oft höre ich von dem Kunden, dass das Werkstück traumhaft schön geworden sei – mehr Erfolg kann man doch gar nicht haben.
Wie bei einem Musikstück muss ich Harmonien zueinander führen und verbinde Kreativität mit Wissen. Bei einem Musikstück gibt es den Hörer und den Komponisten. Somit ist es wichtig, dass wir nicht nur unsere eigenen Vorlieben in ein Werk stecken, sondern auch das, was dem Kunden vorschwebt. Das kann durchaus voneinander abweichen, weil wir zum Beispiel in einer anderen Altersstufe als der Kunde sind und zum Beispiel ein Event anders gestalten würden als der Kunde. Dennoch müssen wir in der Lage sein, die Wünsche des Kunden umzusetzen. Auf der anderen Seite kann ich nichts umsetzen, was gar nicht in meinem Naturell liegt, von daher ist mein Naturell auch von großer Bedeutung. Die Kunden kommen oft gerade deshalb zu uns, weil sie speziell unsere Richtung mögen. Ich glaube, es besteht daher in meiner Arbeit manchmal kein großer Unterschied zu einem Künstler oder Maler – auch ein reiner Künstler kann sich nicht immer das Recht herausnehmen, ein Werkstück nur nach seinen Anlagen zu komponieren. Schließlich ist es mittlerweile jedem bekannt, dass in der Popmusik vieles speziell so komponiert wird, damit es später für den Hörer eingängig ist. In meinem Beruf kann ich bestimmte Stücke auch mal nur nach eigenen Vorlieben entwerfen, die dann als solche in unserem Laden präsentiert werden. Wir haben also schon die Möglichkeit, auch „absolute“ Werkstücke, die nur unsere Handschrift tragen, zu entwerfen. Wenn aber ein Kunde mit speziellen Wünschen kommt, dann müssen wir auf ihn eingehen.
Eine große logistische Herausforderung sind immer die Hochzeiten. Wir müssen es schaffen, dass jeder Mitarbeiter bereits rechtzeitig ausreichend informiert ist und die Materialien entsprechend den Vorgaben eingekauft wurden. Ferner hoffen wir, dass alle Teile, die wir in hundertfacher Ausführung herstellen, zueinander passen. Ausstellungen haben bestimmte Themen, erfordern eine gewisse Vorarbeit und es stellen sich Bauchschmerzen ein, wenn ich noch am Anfang stehe oder ich hoffen muss, dass niemand aus Gesundheitsgründen ausfällt. Wenn die Arbeit dann aber angelaufen ist und wir bereits über die Hälfte der Werkstücke gefertigt haben, beginnt der Kloß im Hals zu sinken (lacht) und kurz vor Schluss, bevor die Ausstellung beginnt, sind wir regelrecht losgelöst, weil wir sehen, dass die Planungen funktioniert haben. Ab diesem Zeitpunkt wird nur noch verkauft und die Arbeit macht wiederum richtig Spaß.
Ich plane bereits im Januar viele Events des Jahres und überlege mir, was wir dort machen wollen. Wie zum Beispiel beim Valentinstag gibt es bei jedem Event festgelegte Themen. Und so kaufen wir bereits auf den Messen im Sommer die notwendigen Materialien für Ostern des Folgejahres ein. Genauso verhält es sich mit den Materialien für Weihnachten, die wir bereits am Anfang des Jahres beschaffen – es gibt immer einen Vorlauf von etwa einem dreiviertel Jahr, besser sogar von einem ganzen Jahr. Früher haben wir kurzfristiger geplant und kamen dann manchmal auf Ideen, die wir nur hätten in Gang setzen können, wenn wir früher geplant hätten. Man ist durch frühe Planung flexibler.
Kunden
Unsere Kunden sind sehr unterschiedlich, gerade was die männlichen und weiblichen Kunden betrifft. Frauen kaufen wesentlich öfter Blumen und bringen dabei in der Regel auch ein größeres Erfahrungspotential mit. Es kommt aber auch vor, dass weibliche Kunden etwas verschenken wollen, aber noch nicht genau wissen, ob es sich dabei um eine Topfpflanze oder um Schnittblumen handeln soll. Im Großen und Ganzen kommen Frauen aber mit gezielten Vorstellungen in unser Geschäft und haben auch eine ungefähre Vorstellung davon, welche Farben verwendet werden sollen. Der männliche Kunde tut sich dabei schwerer. Er möchte im Endeffekt einen Strauß, kann ihn aber gar nicht genau definieren. Wir versuchen in solchen Fällen, herauszuhören, was der Zweck des Geschenks ist oder in welcher Altersstufe der Empfänger ist. Wir helfen ihnen, etwas zu finden, das gut geeignet ist und in der Regel gefällt.
Es hat sich in den letzten Jahren viel in der Floristik getan. Der Kunde sieht das aber in der Regel nicht, denn ich denke, dass ihm dazu der Grundbezug zum Geschäft fehlt. Er sieht zwar, dass etwas anders ist, weiß aber nicht um die Techniken, die dahinter stecken. Die enormen Schritte, die sich in Theorie und Praxis getan haben, können von ihm nicht wahrgenommen werden. Kein Laie kann sich vorstellen, was ein Wasserfallstrauß ist. Denn wie bringe ich die Blumen dazu, dass, obwohl die Blumen eigentlich nach oben wachsen, sie dennoch dies auch nach unten hin tun. Unter einem „Horizontstrauß“ kann er sich vielleicht noch eher etwas vorstellen, zum Beispiel dass ich mir dabei Werkstoffe aussuche, die ein wenig im Bogen gewachsen sind, sodass ich das Bild eines Horizonts erreichen kann. Ein Horizont ist ja meist länglich und dies versuche ich im Strauß nachzuempfinden, das heißt, dass ich bei den Farben entsprechende Orange- oder Rottöne wähle, den Strauß in die Länge ziehe und versuche, einen Halbkreis zu bilden. Der Kunde wüsste selbst nicht, zu welchen Blumen er dabei greifen sollte – und daher beraten wir ihn.
Das ist eine Sache, die ich eventuell noch machen möchte: Straußkurse mit Kunden, um ihnen die notwendigen Einblicke zu geben, die ihnen zeigen, welche Ideen man verwirklichen kann. Ich denke mir, dass Kunden, die so einen Kurs besucht haben, viel eher die Möglichkeit hätten meine Arbeit zu verfolgen als jene Kunden, die einfach nur merken, dass sich etwas verändert hat. So etwas fände ich einfach schön.
Kunden bringen daher die verrücktesten Anfragen zu den seltsamsten Zeiten, denn beschaffbar ist heute ja alles (lacht). Das ist nicht das Problem. Aber der Preis spielt in solchen Fällen eine große Rolle und wenn man zum Beispiel Maiglöckchen im Dezember haben will, entstehen dadurch für den Kunden horrende Kosten. Die Blütezeit dieser Pflanze ist leider sehr kurz und wenn ich als Kunde nicht mehr weiß, wann diese Blütezeit ist, verpasse ich diese Zeit wohl immer. An diesen Nachfragen, bei denen man den Kunden darüber aufklären muss, warum sein Wunsch nur unter enormen Kosten erfüllbar ist, merkt man, dass er keine Vorstellung mehr von Blütezeiten hat. Wenn ich an irgendeiner Pflanze vorbeilaufe, die ich noch nicht kenne oder die zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt blüht, fällt mir dies sofort auf. Ich bin aber bemüht, andere an meinen Beobachtungen teilhaben zu lassen. Dieses Grundwissen geht in einer Stadt sehr stark verloren. Früher sind diese Pflanzen noch durch den Bauerngarten gewachsen und man wusste daher, wann eine Aster blüht oder wo deren Unterschied zu anderen Pflanzen liegt und wann diese wiederum blühen. Wann blüht ein Schneeglöckchen?
Manchmal kommen auch junge Leute zu uns, die Tulpen wollen, aber ebenfalls nicht wissen, zu welchen Zeiten man diese bekommt. Der Tulpenverkauf in den Blumengeschäften ist nämlich eigentlich schon vorbei, wenn diese anfangen im Freien zu blühen. Diese Pflanzen werden von uns schließlich kultiviert und von unseren Gärtnern extra angebaut, damit die Kunden bereits kurz nach Weihnachten die Blumen und somit ein gewisses Frühlingsflair in der Wohnung erhalten. Wenn es draußen warm genug ist, kann man eine Tulpe im Gewächshaus praktisch gar nicht mehr halten.
Floristikbranche
Meine Branche hat sich sehr stark verändert. Im Jahre 1960 gab es im Prinzip nur Blumengeschäfte, die ausschließlich Blumen vertrieben, das heißt welche von verschiedenen kleineren Anbauflächen Schnittblumen holten, bündelten und in so genannten „Fertigsträußen“ vor den Laden stellten – „Buntware“ nannte man dies. So konnten Sträuße mit hohem Gewinn verkauft werden. Zwar kamen damals auch schon individuell gefertigte Sträußen oder Kränze für Hochzeiten hinzu. Diese waren aber noch relativ einfach gebunden. Dies steigerte sich dann, indem die Vielfalt der Blumen aufgrund der Globalisierung zunahm und sich die Verarbeitungsmöglichkeiten durch verbesserte Frischhaltemöglichkeiten änderten. Zeitgleich konnten die Transportwege besser gestaltet werden, sodass die Blumen mit der Zeit immer schneller am Ziel ankommen.
Die Technik des Handwerks entwickelt sich auch immer weiter. Eine verbesserte Verarbeitungsmöglichkeit ist beispielsweise der Steckschwamm, der sich sehr schnell mit Wasser vollsaugt und den man in alle möglichen Gefäße einarbeiten kann. Man ist dadurch sehr flexibel und kann relativ schnell stecken. Darüber hinaus hat man sich noch andere alternative Stecksubstanzen geschaffen, welche sehr aufwändig in der Fertigung sind. Auf diese Weise war früher die Kreativität beim Stecken beschränkt. Es gibt mittlerweile allein fünfundzwanzig Typen von Brautsträußen – ähnlich ist es bei den einfachen Sträußen. Bei der Ausschmückung, zum Beispiel im Bereich der Topfpflanzen, können wir fertige Teile und Accessoires hinzufügen. Früher war der gesamte Verkaufsbereich in Bezug auf Events noch nicht entwickelt.
Leider geht eine allgemeine Tendenz dahin, dass der normale Wochenendstrauß immer mehr über den Supermarkt, das Kaufhaus, die Tankstelle oder den Holländer mit winzigen Ladenlokalen beziehungsweise Ständen vertrieben wird. Der richtige Präsentstrauß, das schöne Geschenk, wird aber auch heute noch im Blumenfachgeschäft verkauft. Dies kann als Fortschritt betrachtet werden, da auf diese Weise die Kreativität wesentlich stärker in den Vordergrund gerückt ist. Ich stelle immer wieder fest, dass flexible Betriebe, welche stark an Weiterbildung interessiert sind, in der Regel weniger Probleme mit den Marktveränderungen haben.
Ich bin in einem Floristenfachverband und in einem anderen Vorstand tätig, bei denen ich Fortbildungskurse organisiere. Ich stelle immer wieder fest, dass es den Betrieben eigentlich nicht so schlecht geht und es überall Ausdehnungs- und Steigerungsmöglichkeiten gibt und es oft die gleichen Betriebe sind, die schon vor zehn Jahren jammerten und es noch heute tun. Bei denen wird es wohl nie besser, weil sie es wahrscheinlich einfach verpasst haben, auf den Zug der Veränderung aufzuspringen. Alles verändert sich laufend und wenn man nicht mit der Zeit geht und sich weiterentwickelt, bleibt man auch als Florist irgendwann auf der Strecke.
Berufskrankheiten
Wir Floristen müssen sehr auf unseren Rücken aufpassen und versuchen, die Aufmerksamkeit für die Gesundheit bereits in der Ausbildung zu schärfen. Floristen stehen viel auf kühlem Grund und tragen schwere Gefäße und Vasen – das sind ganz schöne Gewichte! Man kann das aber mit ein bisschen Wissen sehr vernünftig organisieren, viel aus den Knien heraus arbeiten und sich immer wieder an die gesundheitlichen Gefahren erinnern, dann ist dies nur halb so schlimm. Früher dachte man darüber nicht nach, weshalb viele Mitarbeiter mit Bandscheibenproblemen ausscheiden mussten.
Was wir allerdings nicht in den Griff bekommen und sich immer weiter ausbreiten sind die Allergien. Wir arbeiten mit vielen Stoffen, die reizend sind. Ich bin aber der Meinung, dass Kinder, die schon immer in einer natürlichen Umgebung aufgewachsen sind und viele Stoffe in der Hand hatten, weniger anfällig sind als diejenigen, die man ständig davon abhält. Wir haben viele Anfragen, ob bestimmte Stoffe giftig seien, und selbst solche, die nur ganz leicht toxisch sind, stellen für manche Eltern bereits ein Horrorszenario dar. Ich halte das für übertrieben und denke, dass Kinder ruhig merken sollten, dass, wenn sie an etwas Bitterem lutschen, ihnen dies nicht schmeckt. Sonst haben sie keinerlei Idee davon und werden eventuell sogar auch noch gegen alles Mögliche allergisch.
Wir hatten einmal eine sehr engagierte und interessierte Mitarbeiterin, die drei Jahre bei uns ausgebildet wurde und kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung allergische Erscheinungen auf ihren Armen bekam. Es stellt sich durch Tests heraus, dass sie gegen Narzissen allergisch ist. Sie beendete zwar zunächst ihre Ausbildung und hat versucht, einige Zeit in diesem Beruf zu arbeiten, hat aber dann gemerkt, dass sie Atemnot bekam und dies entwickelte sich so schwer, dass sie schon in jungen Jahren aus dem Beruf ausscheiden musste. Sie bekam damals Fortbildungen vom Arbeitsamt und konnte glücklicherweise eine Ausbildung zum Goldschmied machen, was sie auch sehr interessierte. Nur leider stellte sie hinterher fest, dass es für diesen Beruf nur sehr wenige Stellen gibt. Sie hatte aber letztendlich dennoch Glück, weil sie in der Firma ihres Vaters unterkommen konnte.
Das ist eine Situation, die sich in der Vergangenheit oft wiederholte: Menschen wurden von dem Arbeitsamt falsch weitergebildet. Das Amt steckte zwar sehr viel Geld in solche Maßnahmen – diese waren aber meiner Meinung nach völlig ziellos. Es war nämlich in dem Beispiel der früheren Mitarbeiterin schon von vornherein klar, dass der neueingeschlagene Weg nirgendwo hinführen würde. Mittlerweile nimmt das aber zum Glück ab und die jetzige Arbeitsagentur versucht, Auszubildende in den Maßnahmen bereits von Beginn an in Betriebe zu integrieren.
Erfüllende Tätigkeiten und Wünsche
An meinem Beruf mag ich einerseits den Kundenkontakt, durch den sich aufgrund der Pflanzenberatung oft auch ein tiefer gehendes Gespräch entwickelt, sei es, weil sich der Kunde mit Feng Shui befasst oder einfach weil er mehr über eine Pflanze wissen und die Zusammenhänge kennenlernen möchte. Vielleicht interessiert ihn, woher die Pflanze ursprünglich kommt und welche Verhältnisse dort im Anbau herrschen. Das finden einige Kunden sehr wichtig. Wir kooperieren mit Firmen, die in bestimmten Ländern, zum Beispiel Kolumbien, auch auf soziale Werte achten, sodass dort unter akzeptablen Bedingungen angebaut wird. So sollte unter anderem eine entsprechend gute Entlohnung herrschen und die ganze Arbeitsumgebung sollte ein besseres Niveau haben, als es in der heutigen dritten Welt üblich ist. Ich finde es schön, dass dieses Interesse bei den Kunden besteht und sie vor allem den deutschen Anbau schätzen.
Manchmal komme ich mit ihnen auch in Gespräche aus dem philosophischen oder privaten Bereich. Das Interessante an meinem Beruf liegt darüber hinaus in der Kreativität und in der Tatsache, dass man die Blumen erst einkaufen und Verhandlungen führen muss. Ich brauche das frühe Arbeiten und gehe gerne früh am Morgen auf den Großmarkt, wo ich mich zudem mit Händlern und anderen Käufern über Meinungen zu bestimmten Produkten austauschen kann. Die Versorgung der Pflanzen, macht mir, da ich den notwendigen Überblick habe, ebenso eine Menge Spaß.
Kinder habe ich keine, auch wenn ich mir das gewünscht hätte. Aber durch die viele Arbeit war das nicht möglich und hätte die Beziehung darüber hinaus zu stark belastet. Ich finde es wichtig, dass sich die Politik einer besseren Versorgung der Kinder zuwendet, weil dort immer noch zu wenig getan wird und gerade im Floristenberuf ist die Betreuung der Kinder ein großes Problem. In der Zukunft wird dieser Beruf Schwierigkeiten bekommen, wenn nicht bessere Möglichkeiten zur Versorgung der Kinder geschaffen werden. Das Problem ist nämlich, dass man sich die Betreuung der eigenen Kinder nicht leisten kann, um zumindest halbtags arbeiten zu können. Denn die Betreuung kostet im Regelfall fast so viel wie der Lohn, den eine Floristin in einem Halbtagsjob verdient. Als Folge bleibt man mit Kindern unfreiwillig den ganzen Tag zu Hause. Man ist mit Kindern quasi gezwungen, aus dem Beruf auszusteigen und wenn sie erst einmal zehn Jahre aus dem Beruf raus sind, dann haben sie es aufgrund der starken Veränderungen sehr schwer, wieder einzusteigen.